Im Interview mit Ulrich Richartz, Autor des Buches Arbeitszeugnisse in Kirche, Caritas und Diakonie
Redaktion: Herr Richartz, Sie sind seit 2010 Geschäftsführer der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DiAG-MAV) im Bistum Münster und beraten hier zu allen Fragen des Mitarbeitervertretungsrechts. Zudem verfügen Sie über einen großen Erfahrungsschatz als Referent in verschiedenen Bildungshäusern. Bei welchen Themen gibt es am meisten Beratungs- und Schulungsbedarf?
Herr Richartz: Tja, das ist vielfältig. Wir sagen immer, dass MAV-Mitglieder mindestens drei Schulungen, möglichst am Anfang der Amtszeit, besuchen sollten. Das sind ein Basis- und ein Aufbaukurs zur MAVO und danach ein Kurs zum jeweiligen Tarifrecht, also KAVO, AVR oder AVO usw. Dann hat man jedenfalls schon mal ein Grundrüstzeug für die Arbeit in der MAV. Danach können dann speziellere Kurse folgen, z.B. zur wirtschaftlichen Information, zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder zur Kommunikation und Verhandlung. Die Beratungen haben sich in den letzten anderthalb Jahren natürlich besonders um Corona und die Auswirkungen in den Einrichtungen gedreht. Da orientieren sich die Fragen am Pandemieverlauf. Waren es anfangs Fragen zur Quarantäne, sind es jetzt Fragen zur Impfung. Und da wir in unserem Bistum in diesem Jahr MAV-Wahlen hatten, natürlich auch alles rund um die Wahl.
Redaktion: Sie sind Mitherausgeber des Eichstätter Kommentars MAVO – KAGO und einer der Autoren des KAVO Handbuchs. Seit vielen Jahren veröffentlichen Sie – seit diesem Jahr auch als ständiger Mitarbeiter der Redaktion – in der Fachzeitschrift ZMV – DIE MITARBEITERVERTRETUNG Beiträge zum kirchlichen Arbeitsrecht. Welche Motivation steht hinter Ihrer Autorentätigkeit, was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Herr Richartz: Mir geht es ganz klar um das Erklären und Weitergeben von Wissen. Ich erkläre gerne Sachverhalte und versuche, dabei auf die Mitarbeitervertretungen einzugehen. Das ist ein bisschen meine „Mission“. Deswegen ist die Referententätigkeit ein wichtiger Bestandteil meines (Arbeits-)Lebens. Und da ich aus der Arbeitnehmer-Bewegung komme, bin ich da auch klar verortet. Neben der Tätigkeit in Seminaren kann ich das „Vermitteln“ ganz gut in der ZMV ausleben, vor allem in der Rubrik „Basiswissen“. Die Arbeit am Kommentar ist dann nochmal eine ganz andere, intensive Art, mich mit der MAVO als Gesetzeswerk auseinanderzusetzen.
Redaktion: Im Frühjahr ist Ihr Buch „Arbeitszeugnisse in Kirche, Caritas und Diakonie“ erschienen. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?
Herr Richartz: Die Idee trage ich eigentlich schon sehr lange mit mir rum. Ich habe fast zwanzig Jahre eine Internetpräsenz betreut, bei der mir (auch nicht-kirchliche) Arbeitnehmer ihre Arbeitszeugnisse zur Bewertung zuschicken konnten. Oder auch Entwürfe, die ich dann zum Arbeitszeugnis „umformuliert“ habe. Die Internetseite ist entstanden in einer Zeit, in der ich mir ein zweites „Standbein“ neben meiner beruflichen Tätigkeit aufgebaut habe. Und die da gemachten Erfahrungen wollte ich in ein Buch einfließen lassen und die Tätigkeit der Bewertung damit abschließen. Es gibt ja schon einige Bücher auf dem freien Markt zu dem Thema, aber eben keins, das sich ausschließlich für Kirche, Caritas und Diakonie mit dem Thema beschäftigt. Das wollte ich halt nutzen und dazu das Buch schreiben. Und zwar gut verständlich, so wie ich es in Seminaren und Vorträgen auch handhabe. Als die Corona-Pandemie losging, hatte ich einen Artikel einer Autorin gelesen, die empfohlen hatte, sich in der Pandemie ein bestimmtes Projekt vorzunehmen, um so auch durch die Pandemie zu kommen. Und da ich, vor allem wegen des Home-Office und ausgefallener Seminare auf einmal viel mehr Zeit hatte, wurde das Buch zu meinem "Corona-Projekt". Und ich bin froh, dass der KETTELER-Verlag die Idee aufgegriffen und mit mir verwirklicht hat.
Redaktion: Ihr Buch startet mit einem Plädoyer für gut geschriebene Arbeitszeugnisse. Warum liegt Ihnen dieses Thema so am Herzen?
Herr Richartz: Durch meine Tätigkeit bei der Zeugnisbewertung habe ich viele schlechte Zeugnisse gesehen, die weder dem Arbeitgeber gut zu Gesicht stehen, noch dem Arbeitnehmer von Nutzen sind. Da ich auch gelernter Personalfachkaufmann bin, weiß ich, welche Bedeutung Zeugnisse auch heute noch haben. Und die seelenlosen Zeugnisse, die aus hunderten Textbausteinen gebastelt werden, sind nichtssagend und auch wenig wertschätzend dem Arbeitnehmer gegenüber.
Redaktion: Sie erläutern in Ihrem Buch MAV-relevante Aufgaben, so auch die Rolle der MAV beim Zwischenzeugnis. Warum sollte sich die MAV damit beschäftigen, wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Herr Richartz: Es gibt Mitarbeitende, die sich an die MAV wenden, um sich über ein ausgestelltes Zwischenzeugnis zu beschweren, weil sie der Meinung sind, dass ihre Leistungen nicht richtig bewertet sind. Oder es kommen Kollegen, die ganz einfach wissen wollen, was denn in ihrem Zeugnis eigentlich drinsteht. Und genau für diese Fälle ist es hilfreich, dass die MAVen darüber informiert sind. Denn erste Anlaufstelle für die Kollegen und Kolleginnen ist die MAV.
Redaktion: Praxisnähe und Orientierung für den Arbeitsalltag stehen bei Ihrem Buch im Fokus. Wodurch unterscheidet sich Ihr Buch von anderen?
Herr Richartz: Erst einmal ist es, wie gesagt, das einzige Buch, das sich für den Bereich der Evangelischen und Katholischen Kirche ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Mein Buch enthält keine „tausend Formulierungsmuster“, sondern erklärt ganz praktisch, wie eine gutes Zeugnis aufgebaut ist, was Pflichtinhalte bei bestimmten Berufsgruppen sind und zeigt deutlich, wie ich persönlich ein Zeugnis Schritt für Schritt analysiere und bewerte. Daraus kann der Leser viel mitnehmen. Und anschließend gibt es Muster aus den verschiedenen Berufen die bei Kirche, Caritas und Diakonie häufig vorkommen und die alle aus echten Zeugnissen stammen, die zum Schutz der Beteiligten anonymisiert wurden. Checklisten findet der Leser dann ebenfalls, einmal aus der Sicht des Zeugnisausstellers und einmal aus der Sicht des Zeugnisempfängers. Da ich bereits Seminare zu diesem Thema gegeben habe und natürlich zukünftig dafür zur Verfügung stehe (lacht), weiß ich, welche Aha-Effekte es gibt, wenn man sein eigenes Zeugnis fachlich analysiert.
Redaktion: Im Buch ist von „verschlüsselten Botschaften“ die Rede – was können wir uns darunter vorstellen und wie kann man diesen Code „knacken“?
Herr Richartz: Verschlüsselte Botschaften in Zeugnissen passieren auf vielfältige Weise. Da gibt es die Schönfärberei, also das Verwenden guter Formulierungen für schlechte Bewertungen, wie z.B. das berühmte „stets bemüht“, aber auch Sprachtechniken wie z.B. falsche Wortreihenfolgen oder auch das bewusste Verschweigen bestimmter Pflichtinhalte. Und die geheimen Codes, die ich lieber „Verschlüsselungen“ nenne, sind oft der Versuch von versteckten Botschaften. Wie z.B. „Er ist mit seinen Vorgesetzten gut zurechtgekommen“ für einen angepassten Mitarbeiter oder „Er stand stets voll hinter uns“ als Hinweis auf eine Alkoholabhängigkeit. „Knacken“ kann man die Verschlüsselungen z.B. mit einer Liste aus meinem Buch oder durch das Aufsuchen einer Rechtsberatung zum Beispiel bei der KAB oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Der Zeugnisempfänger erkennt die Verschlüsselungen oft nicht selbst, hat aber so ein „dumpfes Gefühl, dass da was nicht stimmt“.
Redaktion: Haben Sie schon jemals selbst ein Arbeitszeugnis bekommen? Wenn ja, gab es hier Verbesserungsbedarf?
Herr Richartz: Oh ja. Zeugnisse habe ich natürlich auch schon bekommen. Bevor ich mich mit dem Thema überhaupt beschäftigt habe und arbeitsrechtliche Kenntnisse hatte, habe ich ein Zeugnis einer öffentlichen Verwaltung bekommen. Als ich dann, mit dem Wissen der vielen Jahre, das mal angeschaut habe, war klar, dass das Zeugnis völlig inakzeptabel war. Eine Drittel Seite für sieben Jahre Beschäftigungsdauer! Mir heutzutage ein ordentliches Zeugnis auszustellen, dürfte schwieriger werden. (lacht)
Redaktion: Herr Richartz, Sie stehen mitten im Berufsleben. Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Herr Richartz: Tja. Da gibt es noch so einige Ideen, die mir im Kopf herumschwirren. Eine Idee zum Thema MAVO steht kurz vor der Realisierung, eine weitere Aktivität in den sozialen Medien. Aber mehr möchte ich dazu noch nicht sagen. Ich spreche über meine Projekte lieber immer erst dann, wenn sie fertig sind. Das war beim Zeugnis-Buch auch so.
Redaktion: Interessiert sind wir nach so viel Beruflichem auch an einem Blick hinter die Kulissen, wenn Sie erlauben. Was machen Sie in Ihrer Freizeit, was ist Ihnen außerhalb Ihres Berufslebens wichtig?
Herr Richartz: Ich fotografiere gerne, vor allem Menschen und bereite auch gerade eine erste größere Arbeit vor. Außerdem bin ich engagiert in der Notfallseelsorge, also da, wo Kirche ökumenisch noch ganz greifbar für die Menschen da ist.
Redaktion: Wir wünschen Ihnen weiterhin beruflich und privat viel Erfolg und alles Gute. Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
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